Menschen leben zusammen in einer bunten Welt voller unterschiedlicher Gedanken, Gefühle und Ideen. Doch oft hören wir, wie jemand einen anderen kritisiert. Oder wir kritisieren andere. Manchmal sind es kleine Dinge wie „Warum hast du das so gemacht?“ oder große wie „Du solltest nicht so sein.“ Aber warum machen Menschen das? Und wie können wir besser damit umgehen?
In diesem Text wird erklärt, warum Menschen andere kritisieren, warum es besser ist, Kritik sein zu lassen und wie jeder von uns besser auf Kritik reagieren kann.
Warum kritisieren Menschen?
Die Rolle des Gehirns
Unser Gehirn ist wie ein großer Computer. Es sammelt Informationen über die Welt und versucht, alles zu verstehen. Wenn etwas nicht so ist, wie wir es erwarten, fühlt sich das seltsam an. Das Gehirn will dann sagen: „Das ist falsch!“ Kritik ist oft der Versuch, die Welt wieder „richtig“ zu machen.
Psychologische Gründe
Menschen kritisieren, weil sie sich selbst besser fühlen wollen. Wenn wir sagen, dass jemand etwas falsch macht, fühlen wir uns manchmal klüger oder überlegen. Das passiert oft unbewusst.
Manchmal kritisieren wir auch, weil wir ängstlich oder unsicher sind. Wenn wir denken, jemand gefährdet etwas Wichtiges, wollen wir es kontrollieren. Kritik kann eine Art Schutzmechanismus sein.
Gesellschaftliche Erwartungen
Die Gesellschaft hat viele Regeln. Manche sind gut, wie „Sei nett zu anderen.“ Andere Regeln sind nur Gewohnheiten, wie „Man muss immer pünktlich sein.“ Wenn jemand diese Regeln bricht, kritisieren wir oft automatisch. Wir glauben, dass diese Kritik die Welt besser macht.
Warum Kritik oft nicht hilft
Kritik verletzt
Kritik fühlt sich oft wie ein Angriff an. Selbst wenn sie gut gemeint ist, kann sie weh tun. Unser Gehirn interpretiert Kritik oft als Gefahr. Das führt dazu, dass wir uns verteidigen oder traurig werden.
Menschen ändern sich selten durch Kritik
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Kritik selten zu Veränderungen führt. Menschen lernen besser, wenn sie ermutigt und verstanden werden. Wenn wir kritisiert werden, ziehen wir uns oft zurück oder rebellieren sogar.
Kritik macht das Leben grauer
Wenn wir alle gleich sein müssen, verlieren wir unsere Vielfalt. Jeder Mensch ist einzigartig, und das macht das Leben spannend. Kritik kann dazu führen, dass Menschen ihre besonderen Eigenschaften verstecken.
Was stattdessen hilft
Akzeptanz
Stell dir vor, die Welt ist wie ein großes Kunstwerk. Jeder Mensch ist ein Pinselstrich. Manche Striche sind bunt, andere dunkel. Doch zusammen ergibt alles ein schönes Bild. Wenn wir Menschen so akzeptieren, wie sie sind, können wir dieses Bild genießen.
Verstehen statt Verurteilen
Bevor wir jemanden kritisieren, können wir fragen: „Warum macht die Person das?“ Oft gibt es gute Gründe. Vielleicht war jemand müde, traurig oder hatte Stress. Wenn wir das verstehen, fühlen wir weniger das Bedürfnis, zu kritisieren.
Lob und Ermutigung
Statt zu sagen: „Das hast du falsch gemacht,“ können wir sagen: „Ich finde es toll, wie du das probiert hast.“ Lob motiviert Menschen viel mehr als Kritik. Es gibt ihnen Mut, besser zu werden.
Wie man auf Kritik reagieren kann
Ruhe bewahren
Wenn dich jemand kritisiert, atme tief durch. Dein Gehirn will vielleicht sofort zurückschlagen. Aber oft ist es besser, erst einmal nichts zu sagen.
Nachfragen
Frag freundlich: „Warum denkst du das?“ Vielleicht hat die andere Person etwas falsch verstanden. Oder sie wollte gar nicht kritisieren, sondern nur helfen.
Grenzen setzen
Manchmal ist Kritik unfair. Dann kannst du sagen: „Danke für deine Meinung, aber ich sehe das anders.“ Es ist okay, für dich selbst einzustehen.
Eine gute Methode
hatte der amerikanische Industrielle und Stahlmagnat Charles Schwab (18.02.1862-18.10.1939). In Bezug auf Kritik sagte er:: „Ich betrachte meine Fähigkeit die Menschen zu begeistern, als meinen größten Vorteil. Durch Anerkennung und Aufmunterung kann man in einem Menschen die besten Kräfte mobilisieren. Nichts tötet hingegen seinen Ehrgeiz so gründlich wie Kritik von Vorgesetzen. Ich kritisiere nie jemanden. Ich glaube, dass man die Menschen zur Arbeit anspornen muss, deshalb lobe ich eben so gerne wie ich ungern tadele. Bin ich mit einer Leistung zufrieden so anerkenne ich sie aufrichtig und gehe großzügig mit Lob um.“
Zum Schluss eine Geschichte, die alt und aktuell ist:
Vater vergisst von W. Livingston Larned
Hör zu, mein Sohn, ich spreche zu dir, während du schläfst, die kleine Faust unter
der Wange geballt, die blonden Löckchen verklebt auf der feuchten Stirn. Ich habe
mich ganz allein in dein Zimmer geschlichen. Vor ein paar Minuten, während ich in
der Bibliothek über meiner Zeitung saß, erfasste mich eine Woge von
Gewissensbissen. Reumütig stehe ich nun an deinem Bett.
Ich musste daran denken, dass ich böse mit dir war, mein Sohn. Ich habe dich
ausgescholten, während du dich anzogst, weil du mit dem Lappen nur eben über
dein Gesicht gefahren bist. Ich stellte dich zur Rede, weil deine Schuhe schmutzig
waren. Ich machte meinem Ärger hörbar Luft, weil du deine Sachen auf den Boden
fallen ließest.
Auch beim Frühstück fand ich manches auszusetzen. Du verschüttetest den Inhalt
deiner Tasse. Du schlangst das Essen hinunter. Du stütztest die Ellenbogen auf den
Tisch. Du strichst die Butter zu dick aufs Brot. Als du zu deinen Spielsachen gingst
und ich mich auf den Weg zur Arbeit machte, da hast du dich umgedreht, gewinkt
und mir zugerufen: „Auf Wiedersehen, Daddy!“ doch ich runzelte die Stirn und gab
zur Antwort: „Halte dich gerade und mach keinen solchen Buckel!“
Am späten Nachmittag ging es von neuem los. Als ich die Straße heraufkam, sah
ich, wie du auf dem Boden und mit Murmeln spieltest. Die Strümpfe waren an den
Knien durchgewetzt. Ich beschämte dich vor deinen Freunden und befahl dir, vor mir
her ins Haus zu gehen. Strümpfe sind teuer – wenn du sie selber kaufen müsstest,
würdest du mehr Sorge dazu tragen! Das, mein Sohn, warf dir dein Vater vor!
Weißt du noch, später, als ich meine Zeitung las, da kamst du in die Bibliothek,
schüchtern, in deinen Augen eine Spur von Traurigkeit. Als ich über den Rand der
Zeitung blickte, ungeduldig, weil ich nicht gestört sein wollte, da bliebst du in der Tür
stehen. „Was willst du?“ schnauzte ich dich an.
Du sagtest nichts, stürmtest nur mit einem Satz durchs Zimmer, warfst mir die Arme
um den Hals und küsstest mich, und deine kleine Arme drückten mich mit einer
Zuneigung, die Gott selber in dein Herz gepflanzt hat und die trotz aller
Vernachlässigung immer weiterblühte. Plötzlich warst du weg, ich hörte dich die
Treppe hinauftrappeln.
Kurz nachdem du weggegangen warst, mein Sohn, glitt mir die Zeitung aus den
Händen, und eine grauenhafte Angst erfasste mich. Was war aus mir geworden?
Vorwürfe und Tadel ohne Ende – damit vergalt ich dir, dass du ein Kind warst. Nicht
dass ich dich nicht liebe – ich habe nur zu viel von dir erwartet und dich nach dem
Maßstab meiner eigenen Jahre beurteilt, als ob du schon erwachsen wärst.
Dabei ist doch so manches an dir gut und schön und echt gewesen. Dein kleines
Herz war groß wie der erwachende Tag hinter den Hügeln. Das zeigte sich in deinem
plötzlichen Entschluss, auf mich zuzustürmen und mir einen Gutenachtkuss zu
geben. Das ist das Wichtigste, mein Sohn, alles andere zählt nicht mehr. Ich bin in
der Dunkelheit an dein Bett geschlichen und habe mich beschämt daneben
hingekniet.
Das ist ein schwaches Bekenntnis; aber ich weiß, du würdest nicht verstehen, was
ich meine, wenn ich dir alles bei Tageslicht erzählen würde. Doch von morgen an
werde ich ein richtiger Daddy zu dir sein. Wir werden dicke Freunde werden, und ich
werde mit dir traurig sein, wenn du traurig bist und mit dir lachen, wenn du lachst.
Eher werde ich mir die Zunge abbeißen, als ein vorwurfsvolles Wort aus meinem
Mund zu lassen. Und unablässig werde ich mir sagen: „Er ist ja noch ein kleiner
Junge, nichts als ein kleiner Junge!“
Ich fürchte, ich habe dich als Mann gesehen. Doch wenn ich dich jetzt anschaue, wie
du müde und zusammengekauert in deinem Bettchen liegst, dann sehe ich, dass du
noch ein kleines Kind bist. Erst gestern noch trug dich deine Mutter auf dem Arm,
und dein Köpfchen lag an ihrer Schulter. Ich habe zu viel von dir verlangt, viel zu viel.